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SAP-Fachtagung: „Datenschutz ist Teil unserer Demokratie“
Wenn der stellvertretende SAP-Betriebsratsvorsitzende Ralf Kronig von früheren Zeiten berichtet, klingt das fast zu schön, um wahr zu sein: „Früher durften die Leute bei SAP alles sagen, auch wenn es Schwachsinn war. Irgendwann ist dann eine Software daraus geworden.“ Für die gute Personalpolitik sei damals der SAP-Mitgründer Dietmar Hopp maßgeblich gewesen. „Hopp war sachlich, hat auf die Menschen geachtet und sie am Kuchen beteiligt.“ Heute hingegen würden die Rahmenbedingungen „gnadenlos von oben diktiert. Wer das nicht exerziert, hat Probleme“.
Dass sich bei SAP einiges verändert hat, ist dem Berater-Urgestein Jochen Konrad-Klein von der TBS-NRW auch nicht entgangen. SAP sei nicht ein unschönes Produkt mit einer schönen Unternehmenskultur. „Da passe Produkt und Kultur schon zusammen“, so Konrad-Klein. Der Betriebsräte-Berater spricht von zunehmend mafiösen Zuständen im Konzern. Der Einsatz von SAP zur Personalentwicklung muss allerdings nicht zwingend schlecht ankommen. Benteler betreibt jetzt sein Talent-Management mit SAP und galt auf der Fachtagung als Best-Practice-Beispiel.
„Wir haben diese Datenwelt geschaffen.“
„Wenn die Segel getrimmt sind, kann der Wind ruhig schärfer werden“, sagt Katharina Just, TBS-Beraterin und Veranstalterin der Fachtagung. Laut Just kann SAP die Personalentwicklung fördern, wenn der Betriebsrat auf eine gute Regelung hinwirkt, also die Betriebsvereinbarung gut trimmt und der Betriebsrat in die Prozesse eingebunden ist. Dabei können Betriebsräte jederzeit auf der Hilfe der TBS-Beratungsstellen zählen, versichert Konrad-Klein.
Aber wie steht es überhaupt um die Zukunft der Betriebsräteberatung? „Das private Kommunikationsverhalten wird immer mehr in die Betriebe getragen“, stellt der Journalist Ulrich Clauß (WELT) fest. Datenschutz könnte demnach unter Beschäftigten – insbesondere unter jungen – immer weniger gefragt sein, vermutet er. Ein Betriebsrat bestätigt diese Einschätzung auf der Fachtagung: „Die älteren Mitarbeiter sind nach wie vor sensibel. Die Jungen gehen inzwischen anders damit um. Aber wir Alten dürfen uns nichts vormachen“, sagt er. „Wir haben diese Datenwelt geschaffen.“
Nicht alles machen, was möglich ist
Ulrike Stühmeier-Pulfrich, Leiterin für Personal- und Organisationsentwicklung bei Bentler International, sieht die Personalabteilungen ebenfalls in der Pflicht: „Wir müssen dafür sorgen, dass nicht alles, was technisch möglich ist, auch gemacht wird. Gerade beim Personaldatenschutz gibt es klare Grenzen.“ Das Kommunikationsverhalten der Menschen wandelt sich, bestätigt auch Konrad-Klein. Dennoch stellt der TBS-Berater fest: „Die Beschäftigten nutzen Facebook und Twitter, aber verhalten sich im Unternehmen anders. Sie kommunizieren anders.“ Schließlich sei aber die entscheidende Frage, wie wir in Zukunft leben wollen. Datenschutz sei nämlich ein essentieller Teil unserer Demokratie, betont Konrad-Klein.
SAP-Fachtagung: Ordnung im Daten-Stadel schaffen
Als Mariano Cordova heute Morgen von seinem Wecker aus dem Schlaf abgeholt wurde, hat die dazugehörige App ihm gleich berichtet, dass er gut geschlafen habe. Die Wetter-App des ehemaligen Konzernbetriebsrats von T-Systems riet ihm wetterfeste Kleidung, die Kaffeemaschine nahm unaufgefordert ihre Arbeit auf. Immer mehr Menschen nutzen derlei Technologien und Ratgeber. Doch als Verdi-Fachbereichsleiter für IT-Fragen hat Cordova auch einen kritischen Blick auf die zunehmend digitale Kontrolle unseres Lebens – vor allem dann, wenn es um die Beschäftigten in den Betrieben geht. „Die Digitalisierung schreitet voran“, sagt Cordova. „Aber wenn eine Kontrolle nicht rechtens ist, müssen Betriebsräte handeln und die Vorgänge justiziabel machen“, fordert er auf der SAP-Fachtagung 2014 in Hamburg kämpferisch. Allerdings betonte der Gewerkschafter auch, dass Datenschutz nicht immer im Interesse der Beschäftigten sei.
Die perfektionierte Ausspähung
Einer lässt über den Datenschutz hingegen nichts kommen – zumindest nicht in Rheinland-Pfalz. Dr. Stefan Brink ist der oberste Datenschützer im Weinbaugebiet. „Nicht alles, was in Betriebsvereinbarungen steht, erfreut das Herz der Datenschützer“, beklagt Brink. Allzu oft würden wichtige Gesetze zum Schutz der Beschäftigten durch Betriebsvereinbarungen aufgeweicht. Die Arbeitnehmerüberwachung sei inzwischen von einer intuitiven zu einer algorithmischen Überwachung transformiert: schematisch, lückenlos, stochastisch. Er fordert deshalb: „Wir brauchen unbedingt eine gesetzliche Regelung zum Beschäftigtendatenschutz.“ „Mit vielen der vorhandenen Regelungen kann niemand wirklich etwas anfangen“, sagt Brink.
Data-Mining und beschäftigte Versuchskaninchen
Einen Eindruck, wie perfekte Überwachung heute aussieht, weiß kaum ein Mensch besser als Jörg Blumtritt zu vermitteln. Der Vorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft Social Media“ überwacht sich nämlich professionell selbst. Dazu zeichnet er seine Bewegungsdaten auf, die WLAN-Verbindungen sowie den Akku-Ladestand des Smartphones. Sein Befund: Auch wenige und scheinbar unbedeutende Informationen können verräterische Muster aufzeigen, womit sich verblüffend genaue Aussagen über das Verhalten von Menschen treffen lassen – insbesondere mithilfe von Data-Mining. Data-Mining und „Bring-Your-Own-Device“ verbesserten zwar teilweise den Service, aber „damit machen sie Beschäftigte auch zu Versuchskaninchen“, kritisiert Blumtritt.
Tatort SAP- Aufzeichnungen eines Forensiker
Ganz so turbulent geht es noch nicht in allen Betrieben zu. Zumindest im SAP-System lassen sich mit nahezu forensischen Methoden einige Missbrauchsfälle aufdecken. Ob Änderungen an der Berechtigungsverwaltung oder unerlaubte Dateneinsicht: So mancher Verstoß des Arbeitgebers gegen die betriebliche Regelung könnte zumindest geprüft und nachvollzogen werden. Darüber weiß Gerald Schrott bestens Bescheid, der seit 2002 bei IBS Schreiber für SAP-Systemprüfung zuständig ist. Schließlich könnte sich diese mögliche Transparenz aber auch gegen die Beschäftigten wenden, wenn Arbeitgeber beispielsweise ohne Verdachtsmoment auf Spurensuche im SAP-System gehen.
Corporate Compliance nicht ohne BetrVG
Das wäre gegen das Gesetz, betont auch Isabel Eder, Juristin der IG BCE-Abteilung Mitbestimmung. Der Arbeitgeber darf Daten - neben den erforderlichen - nur anlassbezogen erheben und nutzen, um Strafdaten aufzudecken – wenn das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten nicht überwiegt. Darüber hinaus müssen dokumentierte tatsächliche Anhaltspunkte den Anfangsverdacht begründen. Insbesondere rät Eder den Betriebsräten, sich bei den immer häufiger angewendeten „Corporate Compliance“-Regelungen einzubringen. Die sogenannte Regelkonformität der Unternehmen bedeute laut der Gewerkschafterin beispielsweise auch: kein Verstoß gegen Unterrichtungspflichten des Arbeitgebers, Genehmigung von Überstunden nur mit Zustimmung des Betriebsrats.
Die unübersichtlichen Herausforderungen der Betriebratsgremien nehmen schnellen Intervallen zu. Die kommenden Workshops sollen helfen, im Daten-Gewirr einen besseren Überblick zu behalten, um die Interessen der Beschäftigten weiterhin effizient durchzusetzen.
Call-Center Fachtagung in Essen
Trotz der öffentlichen Empörung über den NSA-Skandal gibt es immer noch keine Selbstbeschränkung bei der elektronischen Leistungs- und Verhaltenskontrolle in Kunden- und Service-Centern. Umgekehrt ist aber der Überwachungsdruck eine wesentliche Belastung für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Welche Belastungen auftreten und wie sie verringert werden können, ist eines von vielen Themen der Fachtagung, die das TBS-Netz zusammen mit DGB, ver.di und IG Metall vom 27. - 30. Oktober 2014 in Essen veranstaltet.
Betriebs- und Personalräte sind herzlich eingeladen, sich fachlich weiter zu qualifizieren und gezielt kollegial auszutauschen. Vorträge, Workshops und Fachforen zu wissenschaftlichen und praktischen Fragestellungen wechseln sich ab. Branchenforen für Handel, Finanzdienstleistung, Telekommunikation, Post/Logistik und Dienstleistung geben Raum, mit Vertretern aus Beratung und Gewerkschaft branchenspezifische Angebote und Probleme zu erörtern. Hinzu kommen Workshops mit Fachpolitikern, Gelegenheiten zur Fallberatung und zum Erfahrungsaustausch.
Die Schwerpunkte:
- Mindestlohn und Tarifvertrag
- Beschäftigtendatenschutz im Callcenter und aktuelles Datenschutzrecht
- Leistungs- und Verhaltenskontrolle regeln!
- Psychische Belastungen: Wie messen und regeln?
- Aufgaben und Möglichkeiten des staatlichen Arbeitsschutzes in der Callcenter-Branche
- Gütesiegel im Callcenter
Veranstalter: TBS-Netz
Datum: 27.10. bis 30.10.2014 in Essen
Anmeldeschluss: 06.10.2014
Veranstaltungskosten: inkl. Tagesverpflegung für 4 Tage:1.100 € plus 95 € für Übernachtung pro TN/pro Tag zzgl. Umsatzsteuer
Hier geht es zum Flyer mit dem Programm und weiteren Hinweisen.
30.09 - 02.10 in Hamburg: SAP-Fachtagung 2014 – für Betriebs- und Personalräte
SAP wird in großen und zunehmend auch in mittelständischen Unternehmen und Organisationen eingesetzt. Damit sollen die einzelnen Geschäftsprozesse miteinander verbunden und so steuer- und auswertbar gemacht werden. Für die Interessenvertretungen bedeutet der Umgang mit dem SAP-Universum eine Fülle von Handlungsfeldern in Bezug auf Themen wie Beschäftigtendatenschutz, Leistungs- und Verhaltenskontrolle, aber auch Prozessveränderungen und Qualifizierungsmaßnahmen, um nur einige zu nennen.
Die SAP-Fachtagung für Betriebs- und Personalräte bietet Orientierung, Handlungshilfen, kompetente Beratungserfahrung und Erfahrungsaustausch. Das hier aufgeführte Programm stellt den aktuellen Stand der Planung dar und wird bei Änderungen umgehend aktualisiert.
Die Tagung ist eine Veranstaltung nach § 37.6 BetrVG in Verbindung mit § 40 BetrVG sowie nach entsprechenden Regelungen des BPersVG bzw. LPersVG, MVG bzw. der MAVO.
Veranstaltungsbeginn: 30. September 2014, 12:00 Uhr
Veranstaltungsende: 02. Oktober 2014, 14:00 Uhr
Veranstaltungsort: Lindner Hotel Am Michel, Neanderstr. 20, 20459 Hamburg
Näheres ist der Website der Fachtagung zu entnehmen
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